2012年1月7日星期六

Lucette Lagnado

Post by (schmuck online shop) Jan 2012
Zwischen Kairo und New York: Die Journalistin entscheidet sich für ein Steaksandwich
Klein sei sie, hatte sie mir in der E-Mail geschrieben, klein und zierlich; außerdem trage sie einen blauen Mantel (mittlerweile ist es auch in New York empfindlich kalt geworden). Sie war dann aber gar nicht klein, sondern winzig - eine winzige Frau mit intensiven dunklen Augen. Wir hatten uns im "Marais" verabredet. Das "Marais" ist ein koscheres Steakhaus in der 46. Straße, nicht weit vom Times Square entfernt. Eigentlich hatte ich gedacht, Lucette Lagnado würde ein Restaurant mit mediterraner oder nahöstlicher Küche auswählen. Aber das "Marais" liegt in der Nähe ihres Büros (Lucette Lagnado arbeitet für das "Wall Street Journal"), und koschere Steaks sind ja auch nicht zu verachten. Also trafen wir uns im "Marais".paarschmuck 
Ich hatte in den vergangenen Monaten öfter an sie gedacht, ohne dass ich sie gekannt hätte. Genauer gesagt, war mir Lucette Lagnado immer dann eingefallen, wenn ich Nachrichtenbilder aus Ägypten sah. Der Jubel am Tahrir-Platz in Kairo, als der verhasste Diktator fiel; die brutale Ernüchterung in den Wochen, den Monaten danach. Was würde Lucette Lagnado jetzt dazu sagen?, fragte ich mich oft. Denn sie ist ja von dort. Ihr Vater stammte freilich aus Aleppo, also aus Syrien - ihre Mutter aber war der Spross einer alteingesessenen Familie in Kairo. Beide waren Juden; für beide war Ägypten ein Zuhause. Jedenfalls bis 1952, als die Offiziere gegen die alte, korrupte, liberale, pluralistische, konstitutionelle Monarchie putschten. Danach ging das kosmopolitische Leben in Kairo sehr radikal zu Ende. Ihre Familie hat es unter dem Diktator Nasser trotzdem noch bis 1963 ausgehalten, ehe sie ins Exil ging - erst nach Paris, dann nach New York. Lucette Lagnado hat zwei Bücher über die Geschichte ihrer Familie geschrieben; das erste davon - "The Man In The White Sharkskin Suit" - hat sie berühmt gemacht.
Wir hatten einander nach unserer Begegnung so viel zu sagen, dass wir erst einmal gar nicht zum Bestellen kamen. Wie unter Krämpfen, erzählte mir Lucette Lagnado, habe sie die Monate seit der Revolution in Ägypten verbracht. Von Anfang an habe sie ein seltsames Gefühl bei der Sache gehabt, ohne dass sie genau angeben konnte, warum. "Jede gute Nachricht war mit einem Nachsatz verbunden, der schrecklich war." So wurde die CBS-Reporterin Lara Logan mitten in der Befreiungsfeier auf dem Tahrir-Platz von einer Meute attackiert und vergewaltigt. Später die Pogrome gegen Kopten, die ägyptischen Christen. Mittlerweile, berichtet meine Tischgenossin, gebe es täglich Übergriffe, koptische Frauen würden auf der Straße angepöbelt. Acht bis zehn Prozent der Ägypter sind Christen, es handelt sich also um Millionen Menschen, ihre Zukunft ist vollkommen ungewiss. Als das Ergebnis der ersten freien Wahlen in Ägypten bekannt wurde - 40 Prozent für die Muslimbrüder, 25 Prozent für die noch radikaleren Salafisten -, sei Lucette Lagnado sofort klar gewesen: Das war es wohl. "Ich habe mit alten jüdischen Frauen aus Ägypten gesprochen", erzählt sie, "die sagten mir alle dasselbe: Es ist aus. Es ist vorbei mit Ägypten."
"So wie ich es sehe, ist es eine Tragödie mit zwei Akten", antworte ich. "Der erste Akt war die Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern nach 1948. Den zweiten Akt sehen wir jetzt gerade: die Vertreibung der Christen." Lucette Lagnado streckt mir über den Tisch hinweg die Hand zum Schütteln hin. Sie sitze, berichtet sie, gerade an einer längeren Geschichte über die Kopten ... Nun will der Kellner aber gern, dass wir etwas bestellen, und wir überfliegen schnell unsere Speisekarten. Lucette Lagnado nimmt ein Steaksandwich, ich entscheide mich zum milden Entsetzen meiner Tischgenossin für Steak Tatar. (Nein, ich bin kein Vegetarier, und gelegentlich bestehe ich auf meiner Portion rohem Fleisch.)
Das "Marais" sieht drinnen sehr gediegen aus. Viel dunkles Holz und ein paar Spiegel an den Wänden. Es ist, um mit einem jiddischen Wort zu sprechen, "heimisch". Die Küche ist streng koscher, sodass man unter den Gästen alle Abstufungen der Frömmigkeit beobachten kann, von Chassidim mit Bärten und Schläfenlocken bis zu Männern, die noch nicht einmal eine Kippa auf dem Hinterkopf tragen. Zurück zu Ägypten. "Wie viele Juden gab es dort früher", möchte ich wissen, "haben Sie eine Zahl?" - "Aber gewiss doch. 80 000", antwortet Lucette Lagnado. "Die meisten sind nach Israel emigriert. Aber nachdem ich mein Buch 'The Man In The White Sharkskin Suit' geschrieben hatte, erreichten mich Mails aus aller Welt. Aus Rio de Janeiro, aus Sydney in Australien, aus Paris. Da kapierte ich zum ersten Mal wirklich, dass diese Gemeinschaft in die ganze Welt versprengt wurde." Es sei vollkommen richtig, dass heute noch über die Tragödie der Palästinenser gesprochen werde, die durch die Gründung Israels staatenlos wurden. "Aber es hat damals infolge des israelisch-arabischen Konflikts zwei Flüchtlingsbewegungen gegeben - und von der zweiten ist so gut wie nie die Rede." Die uralten Judengemeinden von Bagdad, Damaskus, Aleppo, Tripolis, Alexandria und eben auch Kairo - Gemeinden, die schon existierten, als noch kein Mensch den Namen Mohammed gehört hatte - existieren nicht mehr. Man schätzt, dass etwa eine Million Juden aus den arabischen Ländern fliehen mussten. Viele, unter ihnen Lucette Lagnados Eltern, wurden durch die Flucht bettelarm; sie ließen Villen, Schmuck, Betriebe, Vermögen zurück.
Unser Essen kommt, das Steak Tatar ist ein würziger Traum, der mir auf der Zunge zergeht; das Steaksandwich dagegen sieht auf die Entfernung ein wenig zäh aus, aber das mag täuschen.
"Wenn ich noch einmal irgendwo in einem Kommentar lese, die Muslimbruderschaft sei gemäßigt, fange ich an zu schreien", sagt Lucette Lagnado. "Es sind Irre, Fanatiker. Sie sind zu allem fähig." Dann fügt sie hinzu: "Mubarak war kein Heiliger, er war ein dummer kleiner Diktator. Aber im Vergleich zu dem, was auf uns zukommt, wird er uns schon bald wie ein Franklin D. Roosevelt erscheinen." Ob es Krieg geben werde, will ich zwischen zwei Bissen wissen. "Mit wem, mit Israel? Alles ist möglich", antwortet die Autorin. Ihr Buch wurde ins Arabische übersetzt. In Ägypten avancierte es zum Bestseller, auf Facebook schickten ihr junge arabische Bewunderer regelrechte Liebesbotschaften. Sie selbst hat seit 2005 angefangen, Kairo zu besuchen - und fühlte sich in der Stadt ihrer Kindheit sofort wieder zu Hause. Jenes Ägypten, das Lucette Lagnado in ihrem Buch beschreibt - das Ägypten, das ihre Eltern verloren haben - ist ein lebenslustig-levantinisches Land. Im Kairo ihrer Kindheit wimmelte es von Bars, von Nachtklubs und Cafés, man lebte und ließ die anderen leben. Der König hieß Faruq, er war ein Schlitzohr und ein Freund der Juden. "Wenigen Leuten ist klar", sagt Lucette Lagnado, "dass es in Ägypten unter der Monarchie ein Maß an politischer Freiheit gab wie nachher nie wieder. Die Offiziere, die 1952 putschten, haben das Land ruiniert. Kairo wurde unter ihnen zu einer Dritte-Welt-Metropole." Ich überlege laut, ob Nostalgie wohl die einzig mögliche jüdische Daseinsform ist. Ach, die verlorenen Länder der Diaspora! Trauer um Spanien vor 1492; Trauer um Deutschland vor 1933; Trauer um das Habsburgerreich, das bekanntlich ein menschenfreundlicher Pallawatsch war. Und eben auch dies: Trauer um die ägyptische Monarchie.
"Jedenfalls ist Nostalgie für mich die einzige Daseinsform", sagt die winzige Frau mit den beeindruckenden dunklen Augen. In "The Man In The White Sharkskin Suit" erzählt sie, wie ihr Vater in dem Schiff, das sie ins Exil davontrug, immer wieder verzweifelt ausrief: "Ragaouna Masr" -"Zurück nach Kairo!" Darin verbirgt sich freilich eine schmerzliche Ironie; denn Juden in aller Welt feiern einmal pro Jahr das Passahfest, bei dem sie ihrer Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft vor 3000 Jahren gedenken. Lucette Lagnados Vater aber wollte nicht ausziehen, er wollte nur eines: zurück. Für ihn war Ägypten das Gelobte Land. Für seine Tochter ist es heute, als verlöre sie es zum zweiten Mal.

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